Verschwunden in Deutschland by Imke Müller-Hellmann

Autor:Imke Müller-Hellmann [Müller-Hellmann, Imke]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-01-15T00:00:00+00:00

Rients Westra

Rients Westra wurde am 1. Dezember 1895 in Sexbierum in der Provinz Friesland in den Niederlanden geboren. Er hatte sieben Geschwister und die Familie war, vom reformistischen Glauben geprägt, sehr fromm. Der Vater von Rients war Händler. Er wollte wirtschaftlich erfolgreiche Söhne haben und den Handel traute er seinem Sohn Rients nicht zu. Er legte ihm nahe, etwas Solides zu tun und Bauer zu werden, was dieser eine Zeitlang auch tat. Rients hatte ein freundliches Gemüt und eine offene, herzliche Art. Es fiel ihm leicht, Kontakte zu knüpfen und bald schon begann er, Saat nicht nur in die Erde zu legen, sondern für eine Firma auch andere Bauern damit zu beliefern. Auf der Saatgutbörse im 25 Kilometer entfernten Leeuwarden begann man nach ihm zu fragen, was erst ein Bruder und dann der Vater verwundert bemerkten. Rients wurde – also doch – ein Händler. Er heiratete Aukje, gründete eine Firma für Saatgut und Kartoffelpflanzen und baute ein schönes Haus neben den Häusern der Brüder. Er nahm eine Pflegetochter an, Jelly, blieb seinem Glauben treu, und war zeit seines Lebens gesellig und mit vielen Menschen in Friesland bekannt.

1940 war Rients 45 Jahre alt. In diesem Jahr änderte sich alles. Es war Krieg. Am 10. Mai besetzte Deutschland die Niederlande. Im Februar 1941 begannen die Deutschen mit großen Razzien, um die jüdischen Niederländer zu deportieren. Amsterdamer Arbeiter riefen zu einem Generalstreik auf, der brutal niedergeschlagen wurde. Vor dem Streik verfolgte der von den Nazis eingesetzte 'Reichskommissar', der Österreicher Arthur Seyß-Inquart, noch eine Politik des 'freiwilligen Anschlusses' der Niederlande an Deutschland. Nach dem Streik sprach er von einem radikalen 'Für oder gegen uns!'. Die Repressalien wurden verstärkt und immer mehr Menschen mussten untertauchen, das heißt, immer mehr Adressen mussten her von Familien, die bereit waren, jemanden heimlich bei sich wohnen zu lassen. Helena Kuipers-Rietberg, 'Tante Riek' genannt, war es, die den Pfarrer Frits Slomp aufforderte, ein Netzwerk für die Personen, die Unterschlupf gewährten, zu gründen. Daraus entstand die L.O., die Nationale Organisation der Hilfe für die Untergetauchten (Landelijke Organisatie voor Hulp aan Onderduikers). Tante Riek wurde verraten und im KZ Ravensbrück ermordet. Frits Slomp überlebte den Krieg.

Die L.O. sprach Rients Westra an, ob er wüsste, wo man noch Menschen verstecken könnte, er habe doch gute Kontakte überall in der Region, und Rients wusste, wo. Er kam als Händler viel rum und konnte fragen, ob da noch Möglichkeiten waren, und er konnte die Adressen auf der Saatgutbörse in Leeuwarden leicht weitergeben.

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